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Party im Schatten des Palasts der Republik

Foto vom Berliner Dom, davor stehen einige Partybesucher auf der Treppe zum Spreekanal In der Nacht zum Samstag haben Initiativen aus dem Umfeld der Fuckparade unter dem Titel „Party for your right to fight“ vor dem Palast der Republik öffentlichen Raum wiedergewonnen – unangemeldet, versteht sich. Zu der Party kamen mehrere hundert junge BerlinerInnen, die am Spreeufer und in einer Tunnelröhre unter der Liebknechtbrücke zu TechHouse, Gabba und Drum’n’Bass tanzten.

Mit der Aktion wollen wir die Öffentlichkeit aufmerksam machen, daß solche Parties in Berlin mangels zeitgemäßer Lösungsansätze nur am Rande der Illegalität stattfinden können. Für die Genehmigung einer Party oder der temporären Nutzung von Räumen für kulturelle Projekte ist ein bürokratischer und zeitlicher Aufwand erforderlich, der die Projekte faktisch undurchführbar werden läßt.

Dabei ist es gerade diese Szene, die Berlin für junge Leute attraktiv macht. Von der Regierung wird das weitgehend ignoriert. Oder es wird diffus erkannt, daß Musik ein wesentlicher Faktor für diese Stadt ist und die Ansiedlung von Großunternehmen wie Universal gefeiert, ohne die eigentlichen Innovationsträger zu erkennen oder zu unterstützen – und sei es nur dadurch, daß man sie nicht behindert oder kriminalisiert.

Die Fuckparade tritt für die Einrichtung einer schnellen, unbürokratischen One-Stop-Agency ein, die zentral eine von überflüssigem Ballast befreite „Konzession light für temporäre Projekte erteilen kann. Wir fordern Toleranz und die Ausnutzung der Ermessensspielräume der Polizei im Umgang mit Parties und wenden uns gegen eine Kriminalisierung.

Foto von der Party: Menschen stehen und sitzen auf der Treppe zur Tunnelröhre, im Hintergrund der Palast der Republik Wir haben für eine Nacht ein totes Stück Beton mit Leben erfüllt, wobei die Wahl des Ortes nicht zufällig erfolgte: Gegenüber des Palastes der Republik, der für 143 Millionen Mark asbestsanierten DDR-Ruine, die nun nach zwölfjährigem Leerstand in einer Wiederholung der Geschichte gesprengt werden wird. Nur damit der Platz abermals leersteht, bis er für knapp 700 Millionen Euro in privates Eigentum übergeht. Wir warten gespannt darauf, wann diese Seifenblase zerplatzt wie die anderen Pläne von Großinvestoren, für die öffentlicher Raum und funktionierende Kultur geopfert werden.

Der Palast der Republik war einmal der Öffentlichkeit zugänglich für kulturelle Veranstaltungen – und für Parties. Die Oberfinanzdirektion beweist nun wieder einmal ihre Unfähigkeit als Hausverwalterin: Ehemals lebendige Orte läßt man jahrelang verrotten, Zwischennutzungen scheitern an der Apathie und Unflexibilität der Behörde, und schließlich kann man die künstlich entstandenen „Schandflecke“ tilgen. Auch der Bunker in der Reinhardtstraße, ein ehemaliges Kulturzentrum mit Konzerten, Ausstellungen, Übungsräumen und legendären Parties – traditioneller Startpunkt der Fuckparade – liegt seit 1996 wie viele andere Objekte im Dornröschenschlaf der Oberfinanzdirektion.

Wir werden diese Orte weiterhin bespielen und nicht aufhören, auch hörbar für unsere Rechte zu demonstrieren. Morgen vielleicht schon in einem leerstehenden Schwimmbad in Ihrer Nähe.

Einige Bilder von der Aktion stehen als ZIP-Datei (6,9 MB) auf unserem Server. Sie dürfen im Rahmen einer Creative Commons Lizenz mit Namensnennung „Fuckparade“ verwendet werden.

Creative Commons Lizenz: Some Rights Reserved

Hintergrund

Die Fuckparade (in einem Wort geschrieben) gibt es seit 1997, damals noch unter dem Namen „Hateparade“. Sie hat ihre Wurzeln in der Clubkultur und tritt seitdem u.a. für eine veränderte Politik in der Stadtentwicklung und im Umgang mit (sub-) kulturellen Minderheiten ein. Auf der Fuckparade waren auch vielfältige Gruppen und Projekte elektronischer Musik vertreten, von Hardcore bis House, aber auch Punk-Bands.

Letztes Jahr kam das Oberverwaltungsgericht Berlin – entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts Berlin – in Eilverfahren zu dem Schluß, daß die Fuckparade wie die Love Parade keine Demonstration sei (aber aus unterschiedlichen Gründen), das Bundesverfassungsgericht hatte im Eilverfahren keine Einwände gegen diese Auffassung. Seit August 2001 sind zwei Hauptverfahren (Fortsetzungsfeststellungsklagen) über den Demonstrationsstatus und das Verbot von Radios auf der Fuckparade beim Verwaltungsgericht Berlin anhängig, um diese Dinge endgültig mit der gebotenen Sorgfalt rechtlich zu klären. Verhandlungstermine wurden noch nicht festgelegt, der Weg durch die Instanzen kann aber Jahre dauern.

Anders als für die Love Parade steht für uns die politische Artikulation und Wahrnehmung unserer Demonstrationsfreiheit im Vordergrund, darum kommt eine Durchführung als „Straßenfest“ (mit einer Sondernutzungsgenehmigung) nicht in Betracht.

Kontakt

Martin Kliehm (DJ Trauma XP)
berlin@fuckparade.org, www.fuckparade.org